In der letzten Frauen-Lounge-Online (ein Gruppen-Coaching-Format für Frauen) haben wir uns mit verschiedenen Aspekten der Weiblichkeit auseinandergesetzt. In diesem Blogartikel möchte ich einen davon fokussieren. Ein Glaubenssatz bzw. ein Vorurteil, das besonders hartnäckig zu sein scheint.

Zwei weibliche Archetypen

Wir haben uns mit zwei weiblichen Archetypen beschäftigt, die entgegengesetzt erscheinen: der Heiligen und der Hure. Im Gespräch miteinander haben wir schnell festgestellt, wie das Vorhandensein dieser zwei Archetypen bei vielen Frauen erhebliche Schwierigkeiten verursachen kann. Vor allem in Bezug auf die eigene Sexualität kann es zu Problemen führen, wenn diese zwei Facetten der Weiblichkeit nicht integriert, sondern wir diese unterdrücken oder projizieren.

Die Sehnsucht nach Ergänzung

Der Mensch sehnt sich nach Ergänzung durch einen anderen Menschen. Aus diesem Grund suchen wir nach Partner*innen, die uns nicht zu unterschiedlich, aber auch nicht zu ähnlich sind. Viele Männer hegen einen besonderen Traum: Sie wünschen sich von einer Partnerin viele verschiedene Eigenschaften, unter anderem Gewissenhaftigkeit und Treue, Verlässlichkeit und seelische Stabilität. Eine große Herausforderung für jede Frau, diese Eigenschaften in sich zu vereinen!

Wovon viele Männer träumen

Der Traum des Mannes geht jedoch weiter: Die eigene Partnerin soll verspielt und sinnlich, impulsiv und emotional sein, voller Bewunderung und erotischer Anziehung. Sie sollte in der Lage sein, sexuell die Kontrolle abzugeben und sich der Leidenschaft hinzugeben. Experimentierfreudig im Bett sollte sie ebenfalls jederzeit bereit sein, nur um ihm gerecht zu werden. Das ist oft die tiefste männliche Sehnsucht: eine Frau, die beide Seiten in sich trägt, die Heilige und die Hure zugleich.

Die Heilige und die Hure

Die Begriffe Heilige und Hure sind tief verwurzelt in kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Diskursen und stehen oft symbolisch für die zwiespältigen Vorstellungen von Weiblichkeit. Diese beiden Archetypen repräsentieren nicht nur unterschiedliche Ansichten über Frauen, sondern auch die damit verbundenen moralischen, sozialen und psychologischen Zusammenhänge und Zuschreibungen. In diesem Artikel beschreibe ich die Ursprünge und Auswirkungen dieser dualen Geschlechterbilder und beleuchte deren Bedeutung für Frauen in unserer Gesellschaft.

Die Wurzeln der Archetypen Heilige und Hure lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. In vielen Kulturen wurden Frauen entweder als rein und tugendhaft oder als sündhaft und verführerisch wahrgenommen. Diese Spaltung zeigt sich in der christlichen Tradition, wo die Heilige oft mit der Jungfrau Maria assoziiert wird. Die Hure auf der anderen Seite ist häufig von Persönlichkeiten wie Maria Magdalena dargestellt, die als moralisch fragwürdig gelten. Diese Zuschreibungen haben weitreichende Auswirkungen: Nicht nur auf das Selbstverständnis von Frauen und deren Rolle in der Gesellschaft, sondern auch auf einer tieferen Ebene, nämlich im Gefühl der eigenen Weiblichkeit als sexuelle Dimension des Seins.

Auswirkungen

Die duale Sichtweise auf Frauen hat nicht nur kulturelle, sondern auch psychologische Auswirkungen. Frauen, die sich mit dem Bild der Heiligen identifizieren, sehen sich oft einem enormen Druck ausgesetzt, den Erwartungen an Reinheit und Selbstlosigkeit gerecht zu werden. Dies kann zu einem Verlust der eigenen Identität und zu einer fehlenden Wahrnehmung eigener Grenzen sowie zu einer ständigen Anpassung an die Erwartungen anderer führen.

Auf der sexuellen Ebene erleben sich Frauen, die sich mit diesem Archetyp identifizieren, oft als von ihrer Körperlichkeit abgeschnitten und haben Schwierigkeiten, sich als sexuell aktive und begehrende Frau zu sehen.

Auf der anderen Seite können Frauen, die als Huren stigmatisiert werden, mit Scham, Ausgrenzung und einem geringen Selbstwertgefühl kämpfen. Diese Zuschreibungen führen häufig zu einer inneren Zerrissenheit, da viele Frauen in ihrem Leben sowohl Aspekte der Heiligkeit als auch der Hure in sich tragen. Diese Spannungen können zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit und zu einem inneren Konflikt führen, der das individuelle Wohlbefinden beeinträchtigt.

Die Trennung von Heiligen und Huren hat auch erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen. In vielen Kulturen werden Frauen, die sich nicht an die traditionellen Geschlechterrollen halten, schnell als Huren abgestempelt, während Frauen, die den Erwartungen entsprechen, oft als Heilige verehrt werden. Diese Zuschreibungen fördern nicht nur Geschlechterstereotype, sondern tragen dazu bei, dass weiterhin Gewalt gegen Frauen und die Kontrolle über ihre Sexualität ausgeübt wird.

Das Recht auf Selbstbestimmung

In den letzten Jahrzehnten wird zunehmend versucht, diese dualen Geschlechterbilder in Frage zu stellen und ein umfassenderes Verständnis von Weiblichkeit zu fördern. Frauen sollten nicht in starre Kategorien eingeteilt werden, sondern das Recht auf Selbstbestimmung und Vielschichtigkeit haben. Diese Infragestellung hat dazu beigetragen, die gesellschaftlichen Normen zu hinterfragen und Frauen zu ermutigen, ihre Identität jenseits von Heiligkeit oder Sünde zu definieren.

Überwindung der Spaltung – Entfaltung des weiblichen Potenzials

Die Begriffe Heilige und Hure sind mehr als nur stereotype Bezeichnungen; Sie sind Ausdruck tief verwurzelter gesellschaftlicher und kultureller Normen, die das Leben von Frauen prägen. Die Auseinandersetzung mit diesen Archetypen ist notwendig, um die Komplexität weiblicher Identität zu erkennen. Diese besteht aus der Integration verschiedener Erscheinungsformen von Weiblichkeit. Erst dann kann das weibliche sexuelle Potenzial sich frei entfalten.

Mehr Informationen über die Frauen Lounge Online findest Du hier.