In der letzten Frauen-Lounge-Online (einem Gruppen-Coaching-Format für Frauen) haben wir uns mit verschiedenen Aspekten der Weiblichkeit auseinandergesetzt. Zwei weibliche Archetypen, die Heilige und die Hure, sind für viele Frauen schwer zu vereinbaren und führen deshalb zu Problemen im Bett. In diesem Blogartikel möchte ich diese Archetypen fokussieren und die damit verbundenen Glaubenssätze und Vorurteile, die besonders hartnäckig zu sein scheinen.

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Zwei weibliche Archetypen: die Heilige und die Hure

Wir haben uns mit zwei weiblichen Archetypen beschäftigt, die entgegengesetzt erscheinen: der Heiligen und der Hure. Im Gespräch miteinander haben wir schnell festgestellt, dass das Vorhandensein dieser zwei Archetypen bei vielen Frauen erhebliche Schwierigkeiten verursachen kann. Vor allem in Bezug auf die eigene Sexualität kann es zu Problemen führen, wenn Frauen diese zwei Facetten der Weiblichkeit nicht integrieren und stattdessen diese unterdrücken oder auf andere Frauen projizieren.

Die Sehnsucht nach Ergänzung

Der Mensch sehnt sich nach Ergänzung durch einen anderen Menschen. Aus diesem Grund suchen wir nach Partner*innen, die uns nicht zu unterschiedlich, aber auch nicht zu ähnlich sind. Viele Männer hegen einen besonderen Traum, wenn es um Partnersuche geht: Sie wünschen sich von einer Partnerin viele verschiedene Eigenschaften, unter anderem Gewissenhaftigkeit und Treue, Verlässlichkeit und seelische Stabilität. Eine große Herausforderung für jede Frau, diese Eigenschaften in sich zu vereinen!

Wovon viele Männer träumen

Der Traum des Mannes geht jedoch weiter: Die eigene Partnerin soll darüber hinaus verspielt und sinnlich, impulsiv und emotional sein, voller Bewunderung und erotischer Anziehung. Sie sollte in der Lage sein, sexuell die Kontrolle abzugeben und sich der Leidenschaft hinzugeben. Experimentierfreudig im Bett sollte sie ebenfalls jederzeit bereit sein, nur um ihm gerecht zu werden.

Die Sehnsucht der Männer

Das ist oft die tiefste männliche Sehnsucht: eine Frau, die beide Seiten in sich trägt, die Heilige und die Hure zugleich. Leider scheitert jedoch auch bei nicht wenigen Männern die Integration dieser zwei Erscheinungen der Weiblichkeit, so dass sie oft die Heilige heiraten und mit der Hure ins Bett gehen. Die nicht gelungene Integration führt zum ambivalenten Fühlen und Verhalten und schließlich oft zu einer Spaltung: Verschiedene Bedürfnisse werden von verschiedenen Menschen befriedigt. Die treue, entsexualisierte Partnerin und Mutter der eigenen Kinder bleibt zu Hause, während die heiße Geliebte (oder Sex-Workerin) die animalischen Gelüste befriedigt.

Die Heilige und die Hure

Die Begriffe Heilige und Hure sind tief verwurzelt im kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Diskurs und stehen oft symbolisch für die zwiespältigen Vorstellungen von Weiblichkeit. Diese beiden Archetypen repräsentieren nicht nur unterschiedliche Ansichten über Frauen, sondern auch die damit verbundenen moralischen, sozialen und psychologischen Zusammenhänge und Zuschreibungen. In diesem Artikel beschreibe ich zusammenfassend die Ursprünge und Auswirkungen dieser dualen Geschlechterbilder und beleuchte deren Bedeutung für Frauen in unserer Gesellschaft sowie die Auswirkungen auf das weibliche sexuelle Erleben und Verhalten.

Von der Antike über das Christentum

Die Wurzeln der Archetypen Heilige und Hure lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. In vielen Kulturen wurden Frauen entweder als rein und tugendhaft oder als sündhaft und verführerisch wahrgenommen. Diese Spaltung zeigt sich in der christlichen Tradition, wo die Jungfrau Maria die Heilige repräsentiert. Die Hure auf der anderen Seite ist häufig von Persönlichkeiten wie Maria Magdalena dargestellt, die als moralisch fragwürdig gelten. Diese Zuschreibungen haben weitreichende Auswirkungen: Nicht nur auf das Selbstverständnis von Frauen und deren Rolle in der Gesellschaft, sondern auch auf einer tieferen Ebene. Das Gefühl für die eigene Weiblichkeit als sexuelle Dimension des Seins ist nicht klar und selbstverständlich.

Auswirkungen

Die duale Sichtweise auf Frauen hat nicht nur kulturelle, sondern auch psychologische Auswirkungen. Frauen, die sich mit dem Bild der Heiligen identifizieren, sehen sich oft einem enormen Druck ausgesetzt, den Erwartungen an Reinheit und Selbstlosigkeit gerecht zu werden. Dies kann zu einem Verlust der eigenen Identität und zu einer fehlenden Wahrnehmung eigener Grenzen sowie zu einer ständigen Anpassung an die Erwartungen anderer führen.

Angst vor Ablehnung

Um nicht von der Gemeinschaft abgestoßen zu werden, verleugnen Frauen oft den Huren-Anteil. Stattdessen projizieren sie diesen Anteil auf andere Frauen. Die Projektion kann so weit gehen, dass Frauen die schlimmsten Richterinnen anderer Frauen werden können – ein Verhalten, das die Spaltung noch tiefer werden lässt.  Damit verlieren Frauen ihre Lebendigkeit und den natürlichen Zugang zu ihrer sexuellen Potenz. Auf der sexuellen Ebene erleben sich Frauen, die sich mit diesem Archetyp identifizieren, oft als von ihrer Körperlichkeit abgeschnitten und haben Schwierigkeiten, sich als sexuell aktive und begehrende Frauen zu sehen.

Scham oder Spaß

Auf der anderen Seite können Frauen, die als Huren stigmatisiert werden, mit Scham, Ausgrenzung und einem geringen Selbstwertgefühl kämpfen. Einige schaffen es dennoch, auch das Leben zu genießen und ihre sexuelle Kraft zu entfalten.

Diese Zuschreibungen führen jedoch häufig zu einer inneren Zerrissenheit, da alle Frauen (ich würde gerne sagen alle Menschen) in ihrem Leben sowohl Aspekte der Heiligkeit als auch der Hure in sich tragen. Diese Spannungen können zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit und zu einem inneren Konflikt führen, der das individuelle Wohlbefinden beeinträchtigt und oft Beziehungen auf die Probe stellt.

Die Trennung von Heiligen und Huren hat auch erhebliche gesellschaftliche Auswirkungen. In vielen Kulturen gelten Frauen, die sich nicht an die traditionellen Geschlechterrollen halten, schnell als Huren, während Frauen, die den Erwartungen entsprechen, als Heilige Respekt und Wertschätzung erhalten. Diese Zuschreibungen fördern nicht nur Geschlechterstereotype, sondern tragen dazu bei, dass weiterhin Gewalt gegen Frauen und die Kontrolle über ihre Sexualität ausgeübt wird.

Das Recht auf Selbstbestimmung

In den letzten Jahrzehnten versuchen viele Menschen zunehmend, diese dualen Geschlechterbilder in Frage zu stellen und ein umfassenderes Verständnis von Weiblichkeit zu fördern. Diese Infragestellung hat dazu beigetragen, die gesellschaftlichen Normen zu hinterfragen und Frauen zu ermutigen, ihre Identität jenseits von Heiligkeit oder Sünde zu definieren.

Viele Frauen machen sich auf die Suche nach der eigenen Identität und lassen sich nicht mehr in eine Schublade stecken, sondern streben nach einer Integration verschiedener Anteile der eigenen Persönlichkeit und nach einer größeren, ganzheitlicheren Komplexität.

 

Überwindung der Spaltung – Entfaltung des weiblichen Potenzials

Die Begriffe Heilige und Hure sind mehr als nur stereotype Bezeichnungen; Sie sind Ausdruck tief verwurzelter gesellschaftlicher und kultureller Normen, die das Leben von Frauen prägen. Die Auseinandersetzung mit diesen Archetypen ist notwendig, um die Komplexität weiblicher Identität und Sexualität zu erkennen. Diese besteht aus der Integration verschiedener Erscheinungsformen von Weiblichkeit. Erst dann kann das weibliche sexuelle Potenzial sich frei entfalten.

Dieses – und viele andere Themen in Bezug auf Weiblichkeit – sind Teil der FrauenLounge online.

Mehr Informationen über die Frauen Lounge Online findest Du hier.