Was ist Tantra?

27. Nov. 2023

Diese Frage zu beantworten, ist keine leichte Aufgabe. Ich versuche in diesem kurzen Artikel einpaar Grundaspekte zusammen zu fassen. Tantra ist ein Begriff, der bei vielen Menschen Stirnrunzeln verursacht, u.a. weil keiner sich vorstellen kann, was genau damit gemeint ist. Viel zu viele Bilder tauchen auf und sorgen für Unbehagen manchmal komplette Ablehnung. Diese Bilder allerdings entsprechen oftmals nur ansatzweise dem, was Tantra ist, oder zumindest was ich darunter verstehe, praktiziere und seit zwanzig Jahren unterrichte. Es gibt tatsächlich keine einheitliche eindeutige Definition davon, was genau Tantra (oder besser gesagt Neo-Tantra) ist. Der Begriff ist nicht geschützt und dadurch für jegliche Zuschreibung offen.

Was ich unter (Neo-)Tantra verstehe

(Neo-)Tantra ist eine Praxis – also in etwa wie Fitness, Yoga oder Tanzunterricht – die auf eine ganzheitliche Art und Weise dem Menschen ermöglicht, sein Potenzial wahrzunehmen und zu entfalten. Ganzheitlich bedeutet, dass Körper, Geist und Seele auf dieser Forschungsreise eine Rolle spielen. Dabei wird u.a. die Fähigkeit der Achtsamkeit trainiert.

Was bedeutet Achtsamkeit?

Achtsamkeit ist eine besondere Form von Aufmerksamkeit, die uns ermöglicht mit Körper, Geist und Seele gleichzeitig ›präsent‹ zu sein. Achtsamkeit ist die Praxis zu bemerken, was in uns vorgeht, und freundlich zu uns selbst zu sein, auch wenn es uns schwer fällt, dies zu tun.

Diese Praxis trägt dazu bei, uns mit nicht wertender Aufmerksamkeit zu betrachten. Die nicht wertende Aufmerksamkeit verbessert – unter vielem anderen – das sexuelle Wohlbefinden. Im Herzen der Achtsamkeit liegt nämlich ein tiefes Paradox: Wir erleichtern Veränderungen, indem wir nicht versuchen, uns zu verändern (vgl. Brotto).

Was häufiger passiert, ist es nämlich, dass wir zwar irgendwo mit unserem Körper sind, dennoch wandert unser Geist in allen möglichen Richtungen herum: in die Vergangenheit in Form von Erinnerungen und in die Zukunft als Planungen, Hoffnungen, Erwartungen usw. Fast nie verweilt unser Geist dort, wo auch unser Körper ist.

Diese Tatsache macht die Wahrnehmung unseren Körpers und damit seine (unsere) Bedürfnisse aber auch seine (unsere) angenehme Empfindungen schwer, weil wir von Gedanken jeglicher Art ›abgelenkt‹ sind anstatt in unserem Körper anwesend zu sein.

Tantra – ein Selbst-Erkentnissweg

Tantra ist ein individueller Selbst-Erkenntnisweg, der die körperliche Weisheit mit einbezieht. In meinem Verständnis ist diese Praxis nicht exklusiv für Paare gedacht, sondern ein ganz persönlicher Wachstumsprozess, bei dem wir in bewußtem geistigem, emotionalem und körperlichem Kontakt mit uns selbst und mit anderen treten. Dabei spielen sowohl die sexuelle Orientierung als auch das biologische Geschlecht keine zentrale Rolle. Jeder Mensch, dem man in Achtsamkeit begegnet, wird uns etwas anderes spiegeln. Dadurch lernen wir uns besser kennen.

Ich habe mir erlaubt, einpaar Gründe zu erwähnen, die Teilnehmenden meiner Gruppen als Motiv beschrieben haben, um an einem Tantra-Kurs teilzunehmen:

  • Ich möchte meinen Körper besser spüren
  • Ich hatte den Wunsch in einen geschützten, sinnlichen Raum einzutauchen, um körperliche Erfahrungen zu erweitern
  • Ich wollte mich persönlich entwickeln, meine Grenzen erkennen und diese vielleicht erweitern
  • Ich wollte meinen Körper spüren, loslassen, sinnliche Körperarbeit spüren
  • Ich war neugierig und hatte den Wunsch nach neuer Erfahrungen im sinnlichen und spirituellen Bereich zu erleben
  • Ich bin viel im Kopf, ich möchte mehr im Körper sein. Ich bin neugierig und habe noch keine Erfahrung
  • Ich möchte mich emotional öffnen, mich auf eine spirituelle Reise begeben, mich persönlich entwickeln

Findest Du dich in diesen Motiven wieder? Spiegeln sie vielleicht eine Sehsucht von Dir?

Was kannst Du aus einer solchen Erfahrung mitnehmen?

Ich möchte auch in diesem Fall einige Feedbacks ehemaliger Teilnehmenden zitieren. Für viele Teilnehmenden ist diese «eine sehr bereichernde und wertvolle Erfahrung», wobei «die Integration von sexueller Energie und Lebendigkeit sowie Selbstbestimmung kultiviert werden kann». Einige können sich dabei mit Themen auseinandersetzen, die Unwohlsein verursachen, wie zum Beispiel Scham, Leistungsdruck, Minderwertigkeitsgefühle: «Ich konnte dabei Scham überwinden und meine Bedürfnisse besser spüren». Dabei habe ich eine «Wertschätzung für die ganze Person erleben dürfen». Die Kunst achtsamer sinnlicher Berührung ist ebenfalls ein zentraler Aspekt tantrischer Selbsterfahrungsgruppen: „Das Erleben einer Tantramassage hat mir noch einmal ganz deutlich vor Augen geführt, wie überaus wertschätzend, achtsam und respektvoll, entspannt, erwartungslos und ruhig, ästhetisch und anmutig in einer wohlwollenden Hingabe an die Berührung, Sinnlichkeit erlebt werden kann“ …

Diese und viel mehr Erkenntnisse können bei dem Besuch von Tantra Seminaren entstehen. Wenn Du mehr darüber erfahren möchtest, melde dich hier per Email für die nächste Tantra Lounge an!

Vertiefungsempfehlungen

Neben meinen beiden Büchern, Sex und Achtsamkeit und Sinnliche Intimität, empfehle ich dir den Videokurs über achtsame sinnliche Berührung zu bestellen. Oder weitere Blogartikeln zu ähnlichen Themen zu lesen. Zum Beispiel „Besseren Sex durch Achtsamkeit“ oder „Sensate Focus – Berührung in Achtsamkeit“.

Quellen

Lori Brotto – Better Sex through Mindfulness